In der Skulpturenhalle der Thomas-Schütte-Stiftung in Neuss wird am 11. April 2025 eine Ausstellung mit Arbeiten des 2016 verstorbenen Bildhauers und Konzeptkünstlers Reiner Ruthenbeck eröffnet (bis Dezember 2025). Ruthenbeck praktizierte seit 1972 Transzendentale Meditation. Prof. Karl-Eckhard Carius gibt einen kurzen Einblick in das künstlerische Werk des Beuys-Schülers und dessen durch TM bereicherte Sicht seiner Kunst.
Foto oben: Reiner Ruthenbeck © Foto: Sigune Siéve, 1993
Nach einer Ausbildung als Fotograf studierte Reiner Ruthenbeck (* 1937 in Velbert, † 2016 in Ratingen) von 1962 bis 1968 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys und war einer seiner Meisterschüler. Neben Gerhard Richter, Sigmar Polke und Blinky Palermo zählte er zu den einflussreichsten seiner Generation. Von 1980 bis 2000 lehrte er als Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Münster. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste Berlin (1987) und den Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg (2006). Sein bildhauerisches Werk wurde auf vielen internationalen Ausstellungen gezeigt. So auch auf der Biennale von Venedig und Sydney. Mehrfach war er auf der Kasseler „documenta“ vertreten. Außerdem hatte er an der Kölner „Westkunst“ teilgenommen. Es folgten die „Skulptur Projekte Münster“.
Drei Tische, documenta 7, 1982; Werkverzeichnis: 229, 230, 231, Seite 83.
Abstraktion: eine Qualität des Bewusstseins
Seine Arbeiten sind der Minimal und Concept Art zuzuordnen, Abstraktion und Reduktion seine Parameter. Dies basiert auf der Vorstellung, dass Kunst ihre eigene Realität hat und nicht etwas anderes darstellen sollte. Mit einem breiten Spektrum medialer künstlerischer Konzeption schuf er Objekte und Installationen im Kontext des „erweiterten Skulpturenbegriffs“ seines Lehrers Joseph Beuys.
Übergeordnete Prinzipien sind der Leitfaden seiner Kunst. „Ich suche einen möglichst hohen Grad von Abstraktion zu erreichen“, sagte er in einem Interview und wies dabei auf seine Beschäftigung mit vedischer Philosophie hin. Für ihn sind seine Zeichnungen anschauliches Denken, Selbstreflektion und Erkenntnisnotat. Zeichnungen und Objekte haben also keinen künstlerischen Selbstzweck, was in der Rezeption von Kunst im Allgemeinen zur Verhübschung des Wohnambientes dient.
Spiel mit der Schwerkraft
Seine Konzepte beziehen sich auf das Spannungsverhältnis von Raum und Objekt – mit „Aufhängungen“, „Verspannungen“ und Zeichensetzungen. Er spielt mit der Schwerkraft, enthebt Tische ihrer alltäglichen Bestimmung oder schickt sie auf elastischen Stahlstäben humorvoll auf eine scheinbare Himmelfahrt. Visionen, die die bürgerliche Ordnung einer gewöhnlichen Wohnungseinrichtung aus dem Gleichgewicht bringen. In seinen Installationen erhalten alltägliche Gegenstände einen neuen ungewohnten Bezugsrahmen, er hinterfragt somit deren Anwesenheit und Funktion, provoziert und regt zum Nach-Denken an.
In seiner Dankesrede anlässlich des ihm verliehenen Wilhelm-Lehmbruck-Preises (2006) erinnerte Ruthenbeck an sein kurzes Schlaraffenland-Manifest von 2000, das auf dem Rathausplatz in Hamburg auf einer Plakatwand in bunten Lettern ausgestellt war:
»Die herkömmliche, lahme, statische
SCHLARAFFENLAND-PARADIES-Vorstellung
steht der Evolution im Wege!Für ein dynamisches PARADIES
Nicht Völle, sondern Fülle!
DYNAMISCHE FÜLLE!«
Umgekippte Möbel, Frankfurter Version (1971 bis 1993), MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main; Werkverzeichnis: 120, Seite 191.
TM als Schlüssel zur persönlichen Evolution
Seit 1972 praktizierte Reiner Ruthenbeck Transzendentale Meditation. Das hatte großen Einfluss auf sein Leben. Er betrachtete mehr und mehr die Kunst „als eine Art Spiel“. „Ich finde Kunst, die einer festen Theorie folgt, eher unerfreulich. Ich interessiere mich für dieses Wissen und was sich durch meine TM-Erfahrung in mir entwickelt. In manchen Arbeiten wird davon vielleicht etwas fühlbar. Dieses Wissen hat mir sicher auch geholfen, meine Arbeiten [bezogen auf die Abstraktion] derartig zu reduzieren.“ So führte sein Interesse dazu, Kunst mehr im Kontext der Wissenschaft zu begreifen und zur intensiven Auseinandersetzung mit der Bewusstseinsforschung. Was ihn dabei faszinierte, entdeckte er in einem Gedicht von Bertolt Brecht beschrieben:
Geh ich zeitig in die Leere.
Geh’ ich zeitig in die Leere,
Komm’ ich aus der Leere voll.
Wenn ich mit dem Nichts verkehre,
weiß ich wieder, was ich soll.
Wenn ich liebe, wenn ich fühle,
ist es eben auch Verschleiß.
Aber dann, in dieser Kühle,
werd’ ich wieder heiß.
Bertolt Brecht Gedichte 1947–1956, Nr. 1024
Dank an Erika Ruthenbeck für die Bereitstellung von Informationen und Abbildungen.
Manifest und Gedicht von Bertolt Brecht entnommen aus Reiner Ruthenbeck: Werkverzeichnis der Installationen, Objekte und Konzeptarbeiten. Kunsthalle Düsseldorf/ Lehmbruck Museum, Duisburg. Herausgegeben von: Christoph Brockhaus (Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg, und Ulrike Groos (Kunsthalle Düsseldorf). Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2008.
Prof. Karl-Eckhard Carius (*1942/Berlin) ist Künstler, Designer, Pädagoge und Autor. Nach künstlerischen und pädagogischen Stationen in Wiesbaden, Berlin, Lissabon und den USA etablierte er den Studiengang Designpädagogik an der Universität Vechta, den er bis zu seiner Emeritierung leitete. Er ist Gründer des „Instituts für intermediäre Gestaltung“, dessen Direktor er bis 2008 war. Er praktiziert seit 1970 Transzendentale Meditation, wurde 1972 TM-Lehrer unter Leitung von Maharishi Mahesh Yogi und befasst sich seit dieser Zeit mit Bewusstseins- und Erkenntnisforschung sowie mit bewusstseinsbasierter Bildung.